Mein langer Weg zur Schlaraffia

Jan 21, 2017 | Allgemein

Ich bin von Natur aus ein geselliger Typ – war ich immer schon. Bevor ich Schlaraffe wurde,  konzentrierte sich mein soziales Interesse auf einen recht ansehnlichen Freundes- und Bekanntenkreis. Zu einem nicht geringen Teil war er wie ich beheimatet in einem Sportverein, in dem ich nach dem Studium aktiv Volleyball spielte und später als Trainer tätig war. Und, weil es mir wichtig erschien, habe ich mich  damals wie heute im Vorstand engagiert. Langweilig war mir also nicht.

Die Fokussierung auf meinen Verein bröckelte ein wenig, als ich meine Frau kennen lernte, aber nicht nur, weil ich mich der Minne wegen nun mehr auf sie konzentrierte, sondern auch, weil ich von meinen (zukünftigen) Schwiegereltern tolle Geschichten und lustige Anekdoten von Wochenendausflügen und ausgedehnten Reisen, meist in Richtung Süden hörte, die mich irgendwie neidisch machten. Es stellte sich heraus, dass mein Schwiegervater Mitglied eines Männervereines war, von dem ich noch nie gehört hatte: „Schlaraffia“. Im Rahmen ihrer Vereinsprogramme, aber auch privat, waren die Schlaraffen ganz schön mobil. Sogar in die USA reiste man zu den Gleichgesinnten. Daneben besuchten sich die Mitglieder der vielen existierenden Ortsvereine in Deutschland, Österreich und der Schweiz häufig gegenseitig, um so ihre Freundschaft und Verbundenheit zu dokumentieren. Mein Schwiegervater erzählte von kulturellen Höhepunkten und ausgelassenen Feiern, die er, manchmal auch mit seiner „Burgfrau“ zusammen, im Verlauf der Ausflüge erlebt hatte, sowie von den illustren Mitreisenden aus Remscheid und den nicht weniger schillernden Freunden, die sie besucht hatten. Offensichtlich wurden bei diesen Besuchen nicht nur Freundschaften gepflegt, sondern auch neue geschlossen. Für mich stand schon bald fest: solche Leute wollte ich auch gerne kennenlernen. Anfangs war ich etwas irritiert von einigen Begriffen wie „Ausritt, Stinkross, Elefantenross, Sippen, Laben, Atzen, Burgfrau, Quell“ usw.. Und welche Rolle spielte wohl der UHU dabei? Aber ich wurde nach und nach aufgeklärt und fand es ganz putzig, sich so von der „profanen“, also der nichtschlaraffischen Welt, abzusetzen.

 

Es war unvermeidlich, dass ich ein paar Jahre später, zunächst auf runden Geburtstagen meiner Schwiegereltern, einige der Remscheider Schlaraffen kennenlernte. Sie nannten sich Glorimontanen und waren, verglichen mit mir, dem Enddreißiger, nicht mehr die Jüngsten. Sobald man ihnen zuhörte, merkte man ihnen ihr Alter jedoch kaum noch an, denn ihre zahlreichen humorvollen, meist gereimten Glückwünsche und andere Beiträge zur Unterhaltung, die sie öffentlich darboten, zeigten, wie jung sie in ihren Herzen geblieben waren. Das fand ich schon äußerst bemerkenswert und ich hätte mir gerne mal eine ihrer „Sippungen“ (Versammlungen) in ihrer „Burg“  (Raum der Versammlung) angeschaut.

Dumm war nur, dass sie sich immer freitags trafen. Für mich wäre das zwar ein idealer Tag zum Wochenausklang gewesen, aber gleichzeitig war ich als Trainer meiner Mannschaft ebenfalls jeden Freitag  Abend verpflichtet, sie zu trainieren. So verzögerte sich mein erster Besuch der Glorimontana um Jahre, bis ich wegen einer Knieverletzung und der damit verbundenen Rekonvaleszenzphase mein Amt niederlegen musste. Das fand ich einerseits äußerst schade, aber ich war auf der anderen Seite frei, mich nun endlich den Schlaraffen zuzuwenden. Und so bat ich meinen Schwiegervater, den Ritter Phamos, mich einmal mitzunehmen.

Der Empfang war überwältigend. Meine Erfahrung mit Sportvereinen und anderen Gruppierungen hatte mir gezeigt, dass es meist eine längere Zeit dauerte, bis man als „Neuer“ mit den anderen Sportlern oder Kollegen warm wurde. Ganz anders bei den Schlaraffen. Hier begrüßte man mich mit lautem und freundlichem „Lulu“ und hieß mich herzlich willkommen. So etwas hatte ich noch nie erlebt und machte mir die Menschen und den Verein sofort sympathisch. Diese Zugewandtheit hielt auch bei meinen nächsten Besuchen an. Darüber hinaus war ich ebenfalls von den Sippungen angetan, deren Inhalte mir wegen ihrer thematischen Vielfalt, des beachtlichen Niveaus und des offenen Humors gefielen.

Dabei war das erst der Anfang, denn je länger ich dabei war – inzwischen nun schon über 20 Jahre – desto mehr Facetten des schlaraffischen Spiels sollte ich zu meiner Freude kennen lernen…

Klaus Pressentin, alias Ritter O-tell-us der Nord-sehn-süchtige Strandläufer